24.11.2013

Wissenswertes über Botulinumtoxin (Botox)

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Botulinumtoxin heute meistens „Botox“ bezeichnet. Botox war das erste zugelassene Medikament, das Botulinumtoxin enthält. Der an sich geschützte Medikamentenname hat sich inzwischen als Gattungsname für eine ganze Gruppe gleichartiger Medikamente durchgesetzt. Wenn im Folgenden die Begriffe Botox-Behandlung oder Botox-Therapie usw. verwendet werden, so beziehen wir uns nicht auf dieses spezielle Medikament, sondern wir verwenden die gängige Sammelbezeichnung für ein Botulinumtoxin-Präparat im Allgemeinen!

Was ist Botulinumtoxin?

Botulinumtoxin ist ein natürlicher Eiweißstoff, der von Bakterien des Stammes Clostridium botulinum erzeugt wird. Diese Bakterien können sich unter bestimmten Bedingungen (bei Temperaturen über 10°C) in Nahrungsmitteln wie z.B. Wurst vermehren, ebenso in Fleisch- und Fischkonserven, in Mayonnaise, seltener auch in Frucht- oder Gemüsekonserven. Sind Nahrungsmittel von diesen Bakterien befallen, so verderben sie und es entsteht ein charakteristischer Geruch. Als Ausscheidungsprodukt produzieren die Bakterien das Botulinumtoxin, ein starkes Lebensmittelgift. Der Name Botulinumtoxin = Wurstgift (vom lateinischen botulus = Wurst und toxinum = Gift) weist auf die Herkunft der Substanz hin.
Es gibt mindestens acht unterschiedliche Formen des Botulinumtoxins: Man hat sie mit den Buchstaben von A bis G benannt, wobei nur die Gruppen A, B, E und F für den Menschen giftig sind. Wird das Botulinumtoxin mit der Nahrung aufgenommen, kann es schon in kleinsten Mengen zu Vergiftungen führen. Allerdings gibt es bereits seit 1897 ein Antiserum, das als Gegengift verwendet wird. Allerdings müssen Antitoxine rechtzeitig verabreicht werden, bevor irreversible Atemlähmungen auftreten, die zum Tod führen können. In Deutschland kam es in den letzten Jahren nur noch zu sehr wenigen Todesfällen durch Botulinumtoxin-Vergiftungen.

In der medizinischen Behandlung kommt das Botulinumtoxin in sehr starker Verdünnung zum Einsatz. Um einen ernsthaften gesundheitlichen Schaden hervorzurufen, müssten mehrere Dutzend Ampullen verabreicht werden.

Wie wirkt Botulinumtoxin?

Botulinumtoxin blockiert die Nervenimpulse, die zu den Muskeln führen. Der Muskel entspannt sich und wird schlaff. Es kommt durch Abspaltung von Eiweißketten ein Mechanismus in Gang, der die Ausschüttung des Transmitters Acetylcholin an den Muskel unterbindet: Der Muskel kann nicht mehr aktiviert werden, er ist quasi gelähmt. Bei einer Botulinumtoxin-Vergiftung kann das Unterbinden der Impulse des Nervensystems zu den Muskeln lebensgefährliche Formen annehmen. Im äußersten Fall, wenn nicht rechtzeitig behandelt wird, führt die Lähmung der Atemmuskulatur zum Ersticken.

In der medizinischen Therapie in außerordentlich geringer Dosis eingesetzt, wird diese Eigenschaft des Botulinumtoxins nun gezielt nutzbar gemacht. An der richtigen Stelle eingespritzt, schwächt das Botulinumtoxin die Erregungsübertragung an den Muskel oder es unterbindet sie ganz. Erst wenn die Nervenstränge mit der Zeit nachwachsen, wird de Muskel nach und nach wieder benutzbar – das kann zwischen zwei und sechs Monate dauern.

In der kosmetischen Dermatologie wird Botulinumtoxin in der Faltenbehandlung (Botox-Behandlung) und bei Hyperhidrose eingesetzt. Das Botulinumtoxin-Präparat wird in die Haut eingespritzt und blockiert die Nervenimpulse, die z.B. zu den Gesichtsmuskeln oder zu den Schweißdrüsen führen. Die Kontraktion des Gesichtsmuskels, der die Falte verursacht hat, unterbleibt, und die Falte verschwindet. Oder es wird die Reizung von Schweißdrüsen verhindert und somit das übermäßige Schwitzen unterbunden.

Von der Entdeckung des Botulinumtoxins zum Medikament Botox

Lebensmittelvergiftungen gibt es schon seit Menschengedenken. Anfang des 19. Jh. brachte man bestimmte Vergiftungen mit dem Verzehr von verdorbener Blutwurst in Verbindung (Dr. Justinus Kerner). Erst gegen Ende des 19. Jh. konnte der belgische Forscher Prof. Emile van Ermengen das Gift zweifelsfrei identifizieren. Er war es auch, der ihm seinen heutigen Namen gab. In damaliger Zeit suchte man weniger nach Einsatzmöglichkeiten des Botulinumtoxins in der Medizin, sondern eher danach, wie Lebensmittel besser haltbar gemacht werden konnten. So wurde erkannt, dass das Bakterium im salzigen und sauren Bereich nicht gedeiht und dass eine mehrminütige Erhitzung auf über 120°C es wirksam abtötet. In den 1920er Jahren wurde dann das Botulinumtoxin erstmals isoliert und man begann damit zu experimentieren.

Doch erst 1946 konnte der Stoff in reiner Form hergestellt werden und kam dadurch in den näheren Blickwinkel der Forschung: Seine Einsetzbarkeit zur Behandlung von Krankheiten wurde nun untersucht. Der Typ A wurde erfolgreich an Affen getestet und konnte 1979 zur Erprobung an freiwilligen Versuchspersonen zugelassen werden. Der amerikanische Augenarzt Scott suchte in den 1980er Jahren nach Mitteln gegen Schielen und setzte Botulinumtoxin dabei als Erster erfolgreich ein, indem er bestimmte Augenmuskeln vorübergehend blockierte. Geprüft wurden Einsatzmöglichkeiten auch bei anderen Indikationen, z.B. bei Spastiken.

Das Arzneimittel selber wurde 1989 in den USA erstmalig zugelassen. Seine Wirkung auf die Gesichtsmuskulatur wurde eher zufällig wahrgenommen – es war gewissermaßen ein Nebeneffekt bei der Forschung. Die Kanadierin Dr. Jean Carruthers beschäftigte sich auf diesem Gebiet seit Ende der 1980er Jahre, und seit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse 1992 wurde Botox zum Geheimtipp: Obwohl es vorerst in der ästhetischen Dermatologie bzw. in der Kosmetik noch nicht offiziell zugelassen war, kam es nun nach und nach zur Anwendung. Erst seit 2002 gibt es die Zulassung des Wirkstoffes für diesen Einsatzbereich.

Medikamente, die Botulinumtoxin enthalten

Es gibt mittlerweile mehrere Medikamente, die Botulinumtoxin enthalten, die meisten davon den Typ A. Nicht alle der Mittel sind in Europa zugelassen.

1989 brachte die Firma Allergan das Medikament Oculinum in Amerika auf den Markt; es wurde in der Augenheilkunde gegen Schielen und Lidkrämpfe eingesetzt. Später wurde der Name in Botox umbenannt. Allergan vertreibt inzwischen auch die Mittel Botox Cosmetics und Vistabel. 1991 kam in Großbritannien mit Dysport ein zweites Medikament mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin A heraus (Firma Ipsen); später auch als Azzalure. Weiterhin wurden Xeomin und Bocouture (Firma Mertz) eingeführt. Mittel mit dem Inhaltsstoff Botulinumtoxin B sind inzwischen Myoblock und Neuroblock (Firma Elan).

Für kosmetische Anwendungen sind Botox, Botox Cosmetics ,Vistabel, Azzulare und Bocouture zugelassen.

Die aufgezählten Medikamente unterscheiden sich voneinander durch ihre Zusammensetzung. und haben dadurch unterschiedliche Wirksamkeit: Man muss sie unterschiedlich dosieren, aber auch Lagerungsart sowie die Haltbarkeit weichen voneinander ab.

Die Wirkung von Präparaten des Typs B ist gegenüber denen des Typs A etwas anders: Sie wirken etwas schneller doch insgesamt schwächer, wandern im Muskel etwas weniger, ihre Wirkungsdauer ist dafür kürzer. Eingesetzt werden sie z.B. bei Unverträglichkeit von Botulinumtoxin des Typs A.

Medizinische Bereiche, in denen mit Botulinumtoxin behandelt wird

Botulinumtoxin-Medikamente werden in der Medizin vielfältig eingesetzt. Abgesehen von der Faltentherapie sowie der Behandlung von Hyperhidrose in der Ästhetischen Dermatologie und Kosmetik sind es vor allem Krankheiten die die Nerven oder Muskeln betreffen. Vom Umfang her wird mindestens die Hälfte der Botox-Mittel nicht zur Schönheitspflege sondern für die Behandlung zum Teil schwerer Krankheiten verwendet.

Dem Einsatz und seiner Erprobung in der Augenmedizin verdankt das Mittel seine Zulassung. Es dient zur Bekämpfung des Schielens (Strabismus) und krampfartigen Lidschluss (Blepharospasmus).

Wichtiges Anwendungsgebiet sind Krämpfe (Spasmen) unterschiedlicher Provenienz (z.B Spasmus hemifacialis, spastischer Spitzfuß) und Bewegungsstörungen (fokale Dystonien): Mund- Zungen-, Schlundkrampf, der sogenannte Schiefhals, Schreibkrampf, Stimmbandkrampf, infantile Zerebralparese und andere.

In der Schmerztherapie setzt man Botulinumtoxin-Medikamente bei Spannungskopfschmerzen und bei Migräne ein.

Botulinumtoxin hilft bei degenerativen Erkrankungen des motorischen Nervensystems, (Parkinson oder Amyotrophe Lateralsklerose) – es dient z.B. als Mittel gegen erhöhte Speichelproduktion. Außerdem unterstützt Botulinumtoxin die Therapie bei Speiseröhrenengstellung (Achalasie) oder bei einem Spasmus der Speiseröhre, bei gastrointestinalen Erkrankungen (bei Sphincter-oddi-Dysfunktion oder bei Aganglionose des Dickdarms), bei urologischen Erkrankungen (Beeinträchtigung des Schließmuskels) oder auch bei Analfissuren.

Die Aufzählungen könnten weiter geführt werden. Überall, wo das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln gestört ist, können Botulinumtoxin-Medikamente Linderung verschaffen. Dabei ist es durchaus so gewesen, dass es zuerst das Medikament gab, und erst danach die potentiellen Nutzungsbereiche in der Medizin bei verschiedenen Nerven- und Muskelerkrankungen erprobt wurden.