31.10.2019

Was sind sogenannte Cosmeceuticals und können sie zur Hauterneuerung beitragen oder gegen Falten wirken?

In letzter Zeit werden in der Werbung zunehmend Kosmetikprodukte angepriesen, die angeblich märchenhafte Wirkungen bei der Reduzierung von Falten erzielen oder eine phantastisch schelle Hautverjüngung bewirken sollen. Es sind sagenhafte Versprechungen, die ein Stückweit Seriosität vortäuschen. Werden jedoch die tatsächlich erreichten, sehr dürftigen Erfolge mit den Werbeversprechungen (die angeblich sichere Erfolge garantieren) abgeglichen, so entpuppt sich die Anpreisung als komplette Irreführung der Kundinnen und auch Kunden. Indem Wünsche geweckt werden und gleichzeitig dabei signalisiert wird, dies sei durch die anempfohlenen Mittel leicht zu verwirklichen, sollen die Beworbenen dazu gebracht werden, ein zumeist erheblich überteuertes Produkt zu kaufen und anzuwenden. Leider wird keines der lobgepriesenen Mittel die verlockenden Verheißungen jemals einlösen können. Warum dieses so ist, wollen wir etwas näher durchleuchten.
In jüngster Vergangenheit stand die Wirksamkeit kosmetischer Produkte vermehrt im Fokus von Diskussionen und Publikationen. Die Stiftung Warentest hat bereits mehrfach ausgewählte Sparten von Kosmetikprodukten auf ihre Wirkung hin unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse der minutiösen Prüfungen sind sehr aufschlussreich und gehen in allen Fällen in die gleiche Richtung: Sämtliche Präparate wurden als wirkungslos und daher mangelhaft klassifiziert. Es ist ein vernichtendes Urteil, gefällt von unabhängiger Seite. Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt, wenn die komplette Palette der getesteten Kosmetika sang- und klanglos durchgefällt und als unwirksam klassifiziert wird. Zu ebenso ernüchternden Schlussfolgerungen in der Bewertung von Kosmetikprodukten kommt auch der SPIEGEL in einer seiner Titelgeschichten vom Sommer dieses Jahres. Darin werden Hintergründe zu diesem Thema durchleuchtet und Sachverhalte offengelegt. Indem den Mechanismen der Branche nachgegangen wird, kommt manch Aufhellendes über die Praktiken der Kosmetikartikelbranche zum Vorschein.

Der Begriff Cosmeceuticals

Beim Begriff Cosmeceuticals handelt es sich um ein neudeutsches Wort, das aus dem Englischen kommt und Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden hat. Es ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen „cosmetics“ und „pharmaceuticals“, den englischen Wörtern für Kosmetika und Arzneimitteln. (In deutscher Entsprechung könnte man sie durch Zusammenfügung zweier Wörter genauso gut auch „Kosmetikamente“ nennen, wass in etwa aufs Gleiche herauskommen würde.) Mit dem wohlklingenden Begriff wird vorgegaukelt, es handele sich um Mittel, die wie Medikamente wirken, also auch unter diese Sparte fallen müssten. Von Arzneimitteln weiß man, dass sie ganz rigoros auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen geprüft worden sind. Auf Kosmetikpräparate trifft dies jedoch keineswegs zu, selbst wenn sie sich Cosmeceuticals nennen. Kosmetikprodukte unterliegen nicht der arzneimittelgesetzlichen Zulassung. Vor allem aber müssen sie ihre Wirksamkeit in keiner Weise und in keiner Form jemals nachweisen. So kann man bei der Vermarktung eines Kosmetikproduktes behaupten was man will – der Wahrheitsgehalt wurde nicht von übergeordneter Stelle überprüft und ist dementsprechend in den meisten Fällen reine Fiktion. All das, was dem Kunden über die angebliche Wirkungsweise von „Jungbrunnenmittel“ vorgegaukelt wird, ist ohne wissenschaftlichen Beweis.

Das Beispiel Kollagen

Seit einigen Jahren kommen vermehrt oral einzunehmende Mittel als Pillen oder Ampullen auf den Kosmetikmarkt, die Kollagen als Inhaltsstoff enthalten. Von diesen Mitteln wird behauptet, wissenschaftlich sei belegt, dass sie Falten sichtbar mildern und die Haut merklich straffen würden. Tatsächlich erzielt jedoch keines der Kollagenmittel auch nach längerer Einnahme die versprochene Wirkung. Die irreführende Werbung wird dadurch rechtfertigt, dass in angeblich wissenschaftlichen Studien zum Produkt (die jedoch von den Herstellern selber vorgenommen wurden!) ein solcher Effekt erzielt worden sei. Solche Eigeninteresse-Studien haben, von wissenschaftlichen Gesichtspunkten her, ausnahmslos gravierende Mängel. Es ist naheliegend, dass die Betreiber solcher Studien so lange testen, bis irgendetwas Verwertbares herauskommt, was für den Nutzer jedoch komplett wertlos ist. So wird der Kunde mit Anpreisungen wie „hautärztlich geprüft“, „klinisch getestet“ oder „wissenschaftlich erwiesen“ ganz gezielt hinters Licht geführt. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Bei Substanzen, die Kollagen enthalten und die oral eingenommen werden, sollen angeblich die aus Rinderspalt oder Schweineschwarten extrahierten Kollagenfragmente über Magen, Verdauungstrakt, Leber und Blutkreislauf zurück in die Haut gelangen und sich hier ins bereits vorhandene Kollagengeflecht einfügen oder aber eine zusätzliche Kollagenproduktion ankurbeln. Wer so etwas behauptet, hätte einen sensationellen Vorgang entdeckt, der noch niemals in einem Lehrbuch der Physiologie beschrieben worden ist. Tatsächlich handelt es sich um ein Märchen, denn einen solchen Ablauf kann es nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geben.

Warum orale Kollagenpräparate nicht wirken können

Aus der normalen täglichen Nahrung nehmen wir im Durchschnitt ungefähr 60 Gramm Proteine zu uns. Alle, dem Körper zugeführte Proteine (und Peptide) werden durch die Verdauung in ihre Einzelbestandteile, einzelne Aminosäuren zerlegt. Es gibt insgesamt 20 unterschiedliche solcher Aminosäuren. Der Körper setzt diese dann dort wieder zu Proteinen zusammen, wo gerade Bedarf ist, und zwar in den Zellen, wo die Proteinherstellung anhand einer Ablesung der DNS stattfindet. Nur ein vom Körper selber hergestelltes Protein (der Körper stellt etwa 35.000 unterschiedliche her) kann im Zuge eines hochkomplexen Ablaufs in ein Körpergewebe integriert werden.
Mit der Nahrung aufgenommenes Kollagen wird genau in gleicher Weise verdaut wie jedes andere Protein, also in einzelne Aminosäuren zerlegt. Wie sollte nun eine Trinkampulle von bereits vorzerkleinertem Kollagen von 2,5 Gramm, deren Inhalt allenfalls einen Bruchteil der durchschnittlichen Proteinzufuhr darstellt, eine messbare Wirkung gegenüber den anderen, mit der Nahrung zugefügten Proteinen erzielen können? Ein Stückchen Wurst oder ein Bissen Fleischsülze würden exakt die gleiche Proteinzufuhr bedeuten. Und warum sollte das in seine Einzelbestandteile (die Aminosäuren) zerlegte Kollagen aus dem Kollagenpräparat nun ausgerechnet in die Hautzellen gelangen soll und dort eine vermehrte Kollagenproduktion anregen? Die Vorstellung ist absurd. Die Behauptungen der Kosmetikbranche, dass dies so funktioniere, sind schlichtweg falsch, komplett unsinnig und unwissenschaftlich. Es sind frei erfundene Versprechungen, die nur darauf hinzielen, einen Anreiz zu schaffen, komplett überteuerte Produkte zu kaufen. Ein oral eingenommenes Kollagenpräparat hat keinen besseren Effekt als ein Bissen Fleisch, ein Ei oder vielleicht ein, zwei Löffel Linsen oder Haferflocken.